Böller

Wer ist das auf dem Foto ?
Wer unsere Posts aufmerksam verfolgt erkennt ihn ggf. wieder. Es handelt sich um niemand anderen als Böller. Böller ist ein Dackel x Jack Russell Mix und lebte in einem Tierheim 3 Stunden von hier entfernt. Bedingt durch seine vorherige Haltung war der kleine Herr eine ganz schöne Kneifzange und wurde während seiner Haft im Tierheim einer Ehrenamtlichen zum Verhängnis.
Er verbiss sich in deren Brust und ließ erst los als das Gewebe nachgab. Wütend, könnte man das nennen, auf der anderen Seite kommt er natürlich auch aus einem Elternhaus welches „packen und töten“ als Familienkodex in die Genetik einspeist.
Maulkorb aufziehen nur möglich wenn der Tierarzt ihn mittels Narkose ausschaltet. Jack Dackel haben eben ihre Standpunkte und die setzen sie durch – auch mit Gewalt.
Als ich Böller kennenlernte schielte mich eine kleine Rübennase kritisch aus der letzten Ecke des Zwingers an. Ich glaube manchmal, dass grade solche sozial verwahrlosten Terrortouristen oft selbst wissen, dass ihre Schneise der Verwüstung sie eines Tages den Kopf kosten wird, da immer jemand aufstehen wird der sich dies nicht gefallen lässt und das auch ganz und gar nicht positiv gemeint. Und genau dieser Annahme war Böller glaube ich als wir aufeinander trafen. Dabei hatte ich gar nicht vor ihn zu essen. Aber woher sollte er das auch wissen? Gefangen in seinem eigens konstruierten Teufelskreis.
Na ja wie das genau war, werdet ihr im besten Fall im Mai auf VOX sehen (Sendetermin geben wir bekannt).
Und jetzt kommen wir zum eigentlichen Thema. Letzten Sonntag dann war für Böller ein großer Tag . Er wusste natürlich nichts davon aber merkte wohl in den Tagen davor dass sich etwas verändert, da das Training und die Überprüfung intensiver wurden. Wir sind den Wesenstest gelaufen. Böller hatte sich in seiner Vergangenheit ja nicht grade mit Ruhm bekleckert und so brauchten wir nun einen Wisch der bestätigte dass für Böller noch Hoffnung besteht damit er vermittelt werden kann.
Ob und wie er den Test gelaufen hat können wir nicht verraten denn dann machen wir uns die Spannungskurve für die Sendung kaputt. Sorry Leude – aber der Text ist eh dazu gedacht sich aufzuregen. Emotionen sind so wichtig für Prozesse und Entwicklungen.
Grundsätzlich weiss ich jetz aber für mich, dass es wohl vorerst mein letzter Wesenstest war den ich mir und einem Hund angetan habe.
Was?
Ja.
Als wir Böller übernommen haben zeichnete sich schnell seine Geschichte ab. Er war , wie so viele Hunde gefangen in unserer Welt die er nicht verstehen konnte weil seine Vorbesitzerin ihn unter Bedingungen gehalten hatte die völlig wider der Natur eines Hundes waren. Böller war ohne Grenzen aufgewachsen, manisch überbehütet und als Kindersatz missbraucht. Und damit ist das volle Programm gemeint mit „der arme muss nicht so viel laufen und sitzt im Kinderwagen, den er auch bewacht weil er ihm so gut gefällt“.
Er war eben wegen dieser wenig gesunden Haltung auf das schmale Brett geraten, sich selbst zu schützen und Menschen die sich in seinem Umfeld aufhielten direkt nach seinen Konditionen zu erziehen. Anfassen „Nada!“, dazu noch bedrängen? „Kopf ab!“.
Und all das wäre ja noch in Ordnung gewesen, wenn dahinter nicht ein Lebewesen stände was jeden Tag von neuem dem Horror ausgesetzt wurde alleingelassen Entscheidungen treffen zu müssen. Hunde leben in sozialen Gruppen! Sie definieren sich, lernen und erhalten eine gesunde Psyche über den innerartlichen und artübergreifenden Kontakt und das Zusammensein mit Menschen und anderen Hunden. Wenn Sie jemanden für sich alleine suchen kaufen oder tindern sie sich gefälligst einen Partner- die kann man auch füttern und streicheln.
Böller zitterte als ich den Zwinger betrat weil sein ganzes eigens entworfenes Konzept zur Sicherheit einfach zerfiel.
Stellen sie sich mal vor, dass es ihnen nach Jahren des psychischen Missbrauchs endlich gelungen ist einen Raum für sich zu verteidigen , wo Sie nach bestem Gewissen Maßnahmen zu Ihrer Sicherheit ergreifen mit dem Erfolg, dass eine fremde Person einfach den Raum betritt und ohne weitere Angaben vor Ihnen steht. Unerträglich, bedrohlich und unerwartet. Emotionen die einen überwältigen können.
Warum ich dem ganzen keine Zeit gelassen habe ?
Ein Hund der seinen Zwinger und sich bis aufs Blut selbst verteidigt und so aufgebaut ist wie Böller wird sich nicht allein durch feine Leckerli (und die hatte ich auch – nämlich frisches Brathähnchen) davon überzeugen lassen dass ich ein guter Mensch bin. Zumal ich diese Bezeichnung ggf. eher in „der Mensch der grade notwendig ist“ ohne Seitenzuordnung ändern würde.
Hunde kommunizieren analog (anzeigend /Zeichensprache, wenn man so will) und um ihm zu erklären was ich von ihm will muss ich es ihm zeigen und in dem Fall auch mit entsprechendem Echo rechnen.
Schon am Abend als wir in der Foundation eintrafen platzte der erste Knoten und Böller traf auf andere Insassen welche ihm extrem halfen sich zu orientieren. Er wurde lockerer und schon bald für alle dort arbeitenden Crewmitglieder auch ohne Maulkorb zugänglich. Und auf die Gefahr hin, dass ich mich weiderhole. Aber tatsächlich ist es so, dass es verhaltensauffälligen Hunden am meisten bringt, wenn man sie abgesichert mit gut sitzendem Maulkorb einfach wieder mit ins Leben nimmt und ihnen Führung bietet.
Und genau hier kommen wir zu dem Punkt der mich so abstößt. In der Arbeit mit Böller gehen wir so vor, ihm zum einen zu zeigen, wo Grenzen erreicht sind, nehmen ihm aber eben auch die „Last“ für sich selbst sorgen zu müssen ab, indem wir uns fair verhalten und ihm helfen uns zu vertrauen und Sorgen abzugeben. Und obwohl er zwei Rassen beherbergt die für Nerven aus Stahl bekannt sind , erlebt man eben auch diese Hunde verletzlich, verzweifelt und begleitet sie hier und da in ihren dunkelsten Stunden. Man kann durch beobachten ihres Verhaltens extrem viel über ihr Inneres und ihr Wesen erfahren , durchlebt mit ihnen Situationen aus der Vergangenheit, beobachtet wie ihr Verhalten und ihre Antworten auf das eigene Verhalten unverhältnismäßig und mit derart dunklen Emotionen belegt sind in Erwartung auf weiteren Missbrauch und da rede ich nicht von körperlicher Gewalt. Teilweise attackieren sie hier so heftig und so verzweifelt dass man glatt beleidigt sein könnte, dass sie einen in dieselbe Schublade mit denen stecken, die ihnen das ganze Schlamassel angetan haben.
Man will sie einfach nur schütteln um sie aus ihrer Manie aufzuwecken, um ihnen zu sagen, dass man selbst nicht so ist und gar kein Interesse daran hat sie für die eigenen emotionalen Defizite (keine Nähe, keine Freunde, sich gebraucht fühlen) auszunutzen- nur um sie im nächsten Moment wieder fallen zu lassen- weil man danach auf seine eigenen Emotionen nicht mehr klar kommt.
Tage und Erlebnisse, nach denen ich nicht mehr ans Telefon gehe weil ich nicht den nächsten leeren Menschen hören will der sich hinter den Problemen seines Hundes versteckt.Das klingt schon wieder reichlich arrogant und von oben herab, aber leider ist die eigene Leere und soziale Inkompetenz derzeit unser größter und schlimmster Feind. Social Media löscht mehr und mehr das echte Leben aus was man an den immer krasseren Überreaktionen im Netz sieht.
Mit Böller gab es etliche Situationen die sich so anfühlten da er schon einfachste Situationen in Frage stellte. Wir haben Hunde immer sehr nah bei uns wenn sie hier ankommen und nachts schlafen sie erstmal mit, am oder im Bett wenn sie wollen. Dies tun wir nicht aus Mitleid sondern aus dem Verständnis heraus, dass einen derart aufgewühlten und instabilen Charakter in einen Zwinger sich selbst zu überlassen, ziemlich dumm ist, grade wenn es um Selbstschutzthemen bei diesem Hund geht. Böller lag also eine ganze Nacht komplett verkrampft neben mir in der Erwartung dass ich ihn als Kissen oder Teddybär zweckentfremde und fand erst zur Ruhe als ich eine Burg aus Kissen um ihn herum baute und er sich eben nicht angrabbeln lassen musste und den für seine Rettung dankbaren Hund mimen musste. Wie krass ist es denn bitte, dass Hunde beim Umzug in eine neue Menschenwohnung gleich davon ausgehen, dass sie jetzt wieder als Nähespender herhalten müssen? Weiteres Thema war Plätze verteidigen damit niemand übergriffig wird und den kleinen süßen Hund tätschelt.
Und wenn man genau diese Phasen durchlebt, mit dem Hund überwunden hat und dieser beginnt seine Pfoten wieder sicher in unsere Welt und auf unsere Straßen zu setzen kommts eiskalt.
Damit Hunde wie Böller eine zweite Chance auf ein eigenes Leben haben muss eine Bescheinigung her, dass dies auch möglich ist ohne das einer stirbt.
Zauberwort : Wesenstest
Anspruch ist: Dass der Hund durch einen Katalog an Situationen geht und dort möglichst kein auffälliges/ unangemessenes Verhalten zeigt.
Er wird dabei vom Halter oder seiner Bezugsperson geführt, diese soll allerdings keinen Einfluss auf den Hund nehmen.
Heißt in der Praxis (im niedersächsischen Test) : Der Hund wird unteranderem in 3 verschiedenen Situationen durch einen Prüfer angeschrien, bedrängt und mit einem Stock bedroht, während man selbst daneben steht und nichts tut.
Heißt für uns das wir Böller verraten und innerhalb weniger Sekunden all unsere Versprechen komplett in Frage stellen.
Der kleine Mann durchlitt den Test, suchte Schutz und ich wurde angewiesen von ihm weg zu gehen. Ich sag s mal so, zur eigenen Wesensüberprüfung ist das eine top Gelegenheit. Am Folgetag hing ich allerdings mit Spannungskopfschmerzen,reichlich emotionalem Konflikt und der Mantra artigen Frage : Was mach ich hier eigentlich ? in den Seilen.
Ich als Mensch kann in diesen künstlich gemachten Situationen natürlich verstehen was passiert – der Hund kann ggf. sehen dass ich unaufgeregt dort stehe- dennoch gleicht grade für einen Hund wie Böller der grade lernt Menschen zu vertrauen und sie um Hilfe zu fragen, diese „Überprüfung“ allerdings einem freien Fall aus dem 10ten Stock ungebremst in den Keller eigener Lösungen und dem aufkeimen alter Sorgen und Ängste.
Zumal ich mir grade letzten Sonntag ernsthaft die Frage gestellt habe, wie anmaßend es doch ist zu erklären das man innerhalb 2 Stunden über ein anderes Lebewesen urteilen kann. Nicht falsch verstehen unsere Prüferin macht das sehr gut und fair, aber Come on ! 2 Stunden und man weiss alles ? Dann geh ich morgen zum Kartenlegen und gewinn im Lotto.
Wenn dies eine erfolgsversprechende Methode wäre, frage ich mich allen Ernstes warum unsere Gefängnisse und die Zwinger in Tierheimen grade überquellen. Lasst die schuldig gesprochenen im Gerichtssaal doch einfach über ein paar Bänke hüpfen, bedroht sie mit einem Stock und sprecht sie danach nett an. Wenn sie bis dahin cool geblieben sind und sich artig vom Arzt abhören lassen, kann man die doch ungebremst laufen lassen. Genauso wie dann auch nicht verstehe warum wir aktuell 3 Hunde mit bereits mit den Ex Haltern abgelegtem Test haben, die trotzdem wieder auffällig wurden und Hunde mit Wesenstest die ich wegen meiner zwar bröseligen aber immer noch vorhandenen Nächstenliebe so nicht mehr vermitteln würde. Fehler in der Matrix…oder so.
Mir ist klar, dass das alles übertrieben und für manch einen zu spitz formuliert ist- aber es geht hier immerhin auch darum, dass ein Verfahren durchgeführt wird, von dem man nicht überzeugt sein kann, wenn man sieht, wie Hund und Halter zum Teil darunter leiden und Ergebnisse varrieren.
NA JA ANYWAY …Böller und ich haben das ganze überwunden und es wurden keine Rückschritte gemacht .
Dennoch sehe ich im Wesenstest folgende Risiken:
Ich denke dass ein derartiger Test Hund und Halter unter extreme Bedingungen stellt und eine bereits durch einen Vorfall belastete Beziehung zusätzlich schädigen kann.
Ich denke auch nicht, dass eine gute und aussagekräftige Wesensbeurteilung in so kurzer Zeit und unter derart unnatürlichen Bedingungen möglich ist
Es gibt außerdem Ausnahmen, so wird z.B. nicht getestet wie Hunde auf Kinder reagieren- zu hohes Risiko… was aber doch im Nachhinein zu dem Risiko führen könnte, dass der Halter seinen Hund im Bezug auf Kinder falsch einschätzt
In Bayern denkt man bereits um und gestaltet den Wesenstest nicht mehr unter „Laborbedingungen“ sondern geht mit dem Hund und Halter Gespann zum Gassi und durch die Stadt, wo Alltagssituationen entstehen und nicht gestellt werden.
Ich verstehe, dass eine Überprüfung von Nöten wäre – allerdings nicht unter dem Aspekt, dass erst jemand gebissen werden muss. Oftmals ist es hier nämlich so, dass man bei genauerer Analyse dann Fehler in der Mensch Hund Beziehung entdeckt und auch feststellt, dass der Halter gewisse Verhaltensweisen verändern muss damit der Hund sich ausreichend orientieren lernt und sicher führen lässt.
Sodass ich denke, dass eine Überprüfung VOR dem Hundekauf durchaus sinnvoll wäre. Der Hundeführerschein war hier sicherlich ein erster Ansatz allerdings erscheint uns dieser noch nicht ausgereift genug , wenn man sich die Abgabemeldungen wegen Überforderung anschaut. Wir würden eine Halterüberprüfung ähnlich der für den Waffenschein vorschlagen. Ja klingt jetzt wieder krass, allerdings stellen dieser Tage Hundehalter nach entsprechender Aufklärung nicht selten fest, dass sie sich zum Führen des von Ihnen ausgewählten und gekauften Hundes gar nicht eignen.Die Zeiten ändern sich eben. Hat man sich früher einen Hund für einen bestimmten Zweck ausgesucht- so gehört er heute einfach ins Bild einer perfekten Familie oder als Freund mit auf die Couch. Ein Lebenswandel der auch viele neue Herausforderungen mit sich bringt, wenn man bedenkt, wie sozial intelligent Hunde doch sind. Für Böller wäre eine derartige Halterüberprüfung gewiss die Rettung vor all dem hier gewesen und uns hätte sie knapp 700,00 Euro gespart. Denn ja, so einen Test zahlen wir selbst – wir wollen dem Hund ja schließlich eine Chance geben, es gibt hier nämlich nicht selten auch Stimmen für eine Einschläferung und wenn man ein solches Leben erhalten will – dann auch mit voller Kostenübernahme.
Es bleibt also spannend und wir freuen uns wenn ihr uns im Mai begleitet 😊
Und wer Böller und uns beim bezahlen des Wesenstests unterstützen möchte kann gerne eine Kleinigkeit spenden
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